USA und Russland wollen die Zahl der nuklearen Sprengköpfe innerhalb der nächsten sieben Jahre von je
2200 auf 1550 reduzieren. Die Zahl der Trägersysteme soll auf jeweils 800
reduziert werden. Der neue Vertrag, genannt neuer START-Vertrag, soll auf 10 Jahre angelegt sein und den entsprechenden
Vertrag von 1991 ersetzen. Nun kann das sicherlich
als ein Schritt zu einer friedlichen Welt interpretiert werden, wenn da nicht
die bekannten Haken wären und sich das Ganze nicht wieder als großer Bluff erweisen
kann, wie schon der seinerzeit von
Gorbatschow mit den USA abgeschlossene Vertrag von 1991, der bekanntlich nicht
zu mehr Frieden, sondern im Gefolge zur NATO-Osterweiterung und zu mehr Kriegen
oder sogar wieder zu Kriegen, die es in dieser Dimension bis 1990 nicht gab,
führte: Erster und zweiter Irakkrieg der USA, USA- und NATO-Krieg gegen
Jugoslawien, USA- und NATO-Krieg gegen Afghanistan, Krieg gegen Somalia,
Entstehen von mehr als ein Dutzend neuer lokaler Kriege z. B. in der
Demokratischen Republik Kongo, im Sudan, Sierra Leone, Liberia, Kolumbien,
Georgien. Alle diese Kriege wurden von den USA angezettelt, angeheizt, und selbst
geführt, die sich als Siegermacht im Kalten Krieg gegen die UdSSR betrachten
und nun meinten, als einzig übrig gebliebene Supermacht sich infolge des
Wegfalls des militärischen einschließlich atomaren Gleichgewichts der beiden
Großmächte USA und Sowjetunion nun jeden Völkerrechtsbruch und damit auch jeden
Aggressionskrieg ungestraft leisten zu können. Die USA begannen sogar offen erpresserisch mit atomaren
Erstschlägen zu drohen und diese Drohungen richteten sich auch gegen nicht Atomwaffen
besitzende Staaten wie den Iran seinerzeit. Seit 1990/1991 gibt es nicht nur
wieder Kriege, die die ganze Menschheit mit dem Untergang bedrohen, es kam auch
zu erheblichen Wohlstandsverlusten in der ganzen Welt. Selbst in den westlichen
Vorzeigestaaten des modernen Wohlstands begann man unmittelbar nach 1991 mit
dem Abbau aller Sozialsysteme und arbeitsrechtlichen Normen, die eine gewisse
Sicherung der Menschenwürde der großen Masse der Menschen versprachen.
Seit 1991 haben die USA möglicherweise die 1991 vereinbarte
Zahl der 2200 Sprengköpfe eingehalten, sie haben aber an der weiteren Perfektion
der Atomwaffensysteme gearbeitet, und sie haben atomare Waffen entwickelt, die
sie nicht mehr als Atomwaffen bezeichnen. Dazu gehören nicht nur
Neutronenwaffen neuen Typs, sondern auch ein immer vielfältiger werdendes
Arsenal von DU-Waffen (Depleted Uranium-Bomben und –Granaten).
Vollmundig versprach nun der neu gewählte US-Präsident
Obama eine Welt ohne Atomwaffen, ohne dass sich die USA verpflichteten, hier mit
dem eigenen positiven Beispiel voranzugehen. Obama hat für die atomare Abrüstung und die definitive
Nichtanwendung von Atomwaffen keine Signale der Tat gesetzt. Er droht weiter auch
mit Atomwaffen und gibt laufend Befehle zum völkerrechtswidrigen Einsatz von Drohnenwaffen
gegen Pakistan, die meist Frauen und Kinder töten - einen „Illegalen
Drohnenkrieg“ nennt das sogar der „Der Spiegel“ (s. „Der Spiegel“, Hamburg, Nr.
13/2010, Seite 89). Es sind Drohnen, die sich auch als Träger atomarer
Sprengsätze eignen würden.
Nun soll am 8. April
in Prag von US-Präsident Obama und dem russischen Präsidenten Medwedjew
der neue START-Vertrag rechtskräftig unterzeichnet werden. Aber in der gleichen
Zeit forcieren die USA mit ihren NATO-Verbündeten den Aufbau von Raketenabwehrsystemen
überall, wo es um USA- und NATO-Interessen gehen soll. Und diese Raketenabwehrsysteme
werden hauptsächlich rund um Russland und die VR China in Stellung gebracht. Am
Samstag, den 7. März 2010, sprach sich jetzt auch NATO-Generalsekretär Rasmussen
für den Aufbau eines kontinentalen Raketenabwehrsystems für Europa aus. Er
meinte, dass ohne diese Raketenabwehrsysteme Europa ein Papiertiger sei (genau
genommen konnte er nur Westeuropa, das unter der Regie der USA- und NATO-steht,
meinen, von denen alleine die realen Kriegsgefahren ausgehen).
Während man einerseits in NATO-Kreisen Verständigungswillen
vorgaukelt, laufen die Kriegsvorbereitungen gegen Russland und die VR China
ungebremst weiter. Gegenwärtig ist auch ein sich verstärkender Propagandakrieg gegen Russland und die VR China zu
verzeichnen, wobei neben der Weiterstrapazierung der Menschenrechtsfrage mit
ihrem abstrakten Geschwätz von Freiheit und Demokratie bezüglich Russland eine
zunehmende Hauptstoßrichtung contra Putin zu erkennen ist. Putin der russische
Bösewicht, Putin der neue russische Stalin kann man da in Journaillen lesen.
Und man organisiert schwerpunktmäßig Anti-Putin-Demonstrationen und jetzt auch
wieder Terroranschlagswellen zur Destabilisierung der innenpolitischen Lage des
Landes (man bedient sich im Westen dazu
auch bestimmter islamistischer Kreise, die man ansonsten verdammt).
Nicht nur im Iran, im Sudan und anderswo, wo es um sog. USA-Interessen
geht, unterstützt die CIA Terroristen,
sie unterstützt und finanziert sie auch im Kampf gegen Russland und die VR
China. Interessant ist die westliche
Berichterstattung über die jüngsten Terroranschläge in Moskau. Die
antirussische Propaganda tendiert dahin,
die Schuld daran den russischen Behörden und vor allem der Putin-Regierung
zuzuschieben. Nicht wie sonst üblich die Islamisten sind die Bösen, die Russen
sind selber schuld, dass gegen sie gebombt wird! Die Wiederkehr von
Terroranschlagen in Moskau nach 6 Jahren wird als Neubeginn eines gerechten islamischen
Krieges gegen das autoritäre und bürokratische Putin-Russland interpretiert,
wohlwissend dass es eben Putin gewesen ist, der nach den Wirren der
Gorbatschow- und Jelzin-Ära Russlands Rolle in der Welt als Großmacht zumindest
in erfolgreichen Ansätzen wiederhergestellt hat.
Nach dem doppelten Anschlag in der Moskauer U-Bahn am 29. März Einige westliche Kommentatoren
sprechen neuerdings sogar davon, dass Russland infolge einer falschen Politik
gegenüber einigen Föderations-Republiken mit muslimischer Bevölkerung dem
Widerstand der islamischen Völker der Welt hilflos ausgeliefert sei. Und man
rechnet westlicherseits natürlich auch mit westhörigen Gefolgsleuten im Inneren
Russlands. Ein gewisser Boris Jefimowitsch Nemzow, einer der maßgebenden Führer der russischen liberalen Opposition, spricht
von der eigenen Schuld Putins an den jüngsten Moskauer Terroranschlägen und
gleichzeitig von seiner Unfähigkeit, für die russische Bevölkerung Sicherheit
zu gewährleisten. Der Tenor ist also bezüglich Russland diametral der
Argumentation entgegengesetzt, die man im Westen vernimmt, wenn dort derartige Terrorakte passieren. In westlichen
Staaten geht man natürlich grundsätzlich
auch nicht von unterdrückten Muslimen aus, für die man Verständnis haben müsse,
wenn sie dort Terroranschläge verüben. Erhöhte Sicherheitsmaßnamen in Russland werden
als Verstärkung des repressiven Charakters des Putin-Regimes interpretiert. Und
man nutzt dann die Anschläge, um in der russischen Bevölkerung Pessimismus bis
Defätismus zu verbreiten. Zugespitzt heißt es schließlich, Russland gehe in
Angesicht des islamischen Widerstandskampfes
und der Unfähigkeit Putins, dagegen
etwas zu tun, jetzt dem Untergang entgegen. So hätte man es auch gerne! Hitlers These von „Russland
als Koloss auf tönernen Füßen“ mit der er Deutschland zum Krieg gegen die
Sowjetunion und dann in den Untergang trieb, lebt wieder in verschiedenen
Schattierungen auf.
Nun ist es richtig, dass man in offiziellen Kreisen der USA
und NATO Russland nach außen hin noch mit Samthandschuhen anfasst. Man schickt
anlässlich der Moskauer Terroranschläge auch Beileidschreiben, die vor
Krokodilstränen nur so triefen. Und man beschwört den Willen zu Frieden und
Abrüstung. Wenn man aufrüstet, ginge es ja nur um einige kleine
Schurkenstaaten. Niemand hat etwas gegen
Russland, so hört sich das dann an.
Kommen wir deswegen auf Rasmussens Forderung nach dem Raketenschild
für Westeuropa zurück. Auch hierbei geht er auf den bekannten Dummenfang. Er
wirft Nebelkerzen aus, indem er auf die angebliche
atomare Bedrohung aus der Islamischen Republik Iran verweist, obwohl dieser Staat
keine Atomwaffen besitzt und auch in Zukunft nicht zu besitzen beabsichtigt. In
diesem Zusammenhang verweist er auch auf Nordkorea (die Demokratische
Volksrepublik Korea) als angeblichen atomaren Gefahrenherd, obwohl dieser Staat
mit gerade mal zwei bis drei kleinen Atombomben über kein nennenswertes
Atomwaffenarsenal verfügt.
In Wirklichkeit geht es Rasmussen um Russland. Russland
soll endgültig zum reinen Rohstoffland des Westens degradiert werden, ein Ziel,
das schon 1991 und davor verfolgt wurde. Russlands wäre in der Tat unter
Gorbatschow und Jelzin beinahe zum Abwrackstaat geworden. Und man war in
Washington und bestimmten weiteren NATO-Hauptstädten über positive Entwicklungen des russischen
Staates, der Russischen Föderation, die sich ab 1999 unter der Führung von
Wladimir Putin einstellten, gar nicht erfreut.
Ganz in die Knie zwingen ließ sich Russland letztlich auch
unter Gorbatschow und Jelzin militärisch nicht, weil es die Atom- und
Raketenstreitmacht in wesentlichen Teilen aufrechterhielt. Nun will man gegen
Russlands übrig gebliebene Verteidigungsstärke, nämlich seine atomaren Raketen,
einen undurchdringlichen Wall von Raketenabwehrschilden errichten und die
russischen Militärs gleichzeitig dazu veranlassen, ihre offensiven Atomraketen
und Atomwaffen so zu verringern, dass sich
Russland und seine Verbündeten im Falle einer NATO-Aggression nicht mehr erfolgreich
verteidigen können. Dazu soll der neue
START- Vertrag bei gleichzeitiger Entwicklung von Raketenabwehrschilden dienen.
Rasmussen verlangt gleichzeitig eine beträchtliche Erhöhung
der Militärausgaben der europäischen NATO-Staaten. Mann müsse doch einigermaßen
an das Niveau von 710 Milliarden Dollar
(529 Mrd. Euro), die die USA für ihr Militär jährlich verausgaben, herankommen,
hatte Rasmussen am Sonnabend, den 7. März, erklärt. Gegenwärtig werden nur 280
Mrd. Euro in Westeuropa für die Militärhaushalte ausgegeben, bemängelt er. Übrigens
ist das schon das Mehrfache des Jahresstaatshaushalts Griechenlands, dessen Staatsschulden
auf 226 Mrd. Euro aufgelaufen sind. Na
dann mal Prost, Mister Rasmussen, feste darauf und die unproduktiven Militärausgaben
angesichts der verheerenden Finanzkrise weiter in schwindelerregende Höhen
treiben!! Denn das ist offensichtlich seine Losung.. und wehe, wenn es sich
jemand erlaubt, hier den Sparhebel anzusetzen, damit es nicht zum weiten
Verfall des europäischen Währungs- und Finanzsystems kommt! Warum also nicht
die Militärausgaben auf das Doppelte der Staatsschulden Griechenlands
hochtreiben, anstelle wenigstens mit der
Reduzierung der Militärausgaben die Hyperinflationsgefahr verringern zu helfen,
wenn man schon nicht der Finanzheuschrecken, der Superprofite abzockenden Finanz-, Börsen- und Bankenparasiten Herr werden kann!
Auch Mister Rasmussen dürfte nicht ganz so dumm sein, die einfache
militärische Logik nicht zu begreifen zu können, dass man Raketenabwehrsysteme überwinden
kann, indem man die Zahl der Angriffsraketen, mit oder ohne atomare Sprengsätze
erhöht, so wie man schon im 1. Weltkrieg Maschinengewehrabwehrstellungen mit
erhöhter Angriffskapazität zunächst der Kavallerie und Infanterie und durch
Artillerietrommelfeuer, dann mit Panzerwaffen überwunden hat. Raketenabwehrsysteme sind also eine provokative Einladung, den neuen
START-Vertrag zum Fetzten Papier zu machen, es sei denn, Washington rechnet
mit einem neuen Gorbatschow als endgültigen Totengräber Russlands, der sein
Land den USA als Beutegut zu präsentieren bereit ist. In diesem Fall könnte der
neue START-Vertrag zum Fallbeil des souveränen Russlands werden.
Redet man
deswegen jetzt in westlichen Politiker- und Medienkreisen verstärkt darüber,
dass in Moskau das Tandem oder Duumvirat Putin – Medwedjew nicht mehr
funktionieren und spätestens 2012 ihr Ende in unerbittlicher Feindschaft der
beiden Spitzenpolitiker finden würde? (s. z. B. „Heute gibt es in Russland zwei
Machtzentren“ - Interview mit Wladimir
Posner (russ.), in Russkij Berlin, Teil
Odna Schestaja, Nr. 12/2010, vom 29. März 2010), Rechnet man in Westen tatsächlich
damit, dass sich Medwedjew als der neue
Gorbatschow entpuppt?.
Quelle: die Autoren
Originalartikel veröffentlicht am 31.3.2010
Über die Autoren
Hans-J. Falkenhagen und Brigitte Queck sind mit Tlaxcala, dem internationalen Übersetzernetzwerk für sprachliche Vielfalt, assoziierte Autoren. Dieser Artikel kann frei verwendet werden unter der Bedingung, daß der Text nicht verändert wird und daß sowohl die Autoren als auch die Quelle genannt werden.
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