Vor einem Jahr kündigte Nicolas Sarkozy anlässlich einer Reise nach Südafrika die Neuverhandlung der Verteidigungsabkommen an, die Frankreich an acht afrikanische Länder binden und versprach eine verstärkte Kontrolle der militärischen Außeneinsätze durch das französische Parlament, dies nur wenige Tage nach der logistischen Unterstützung, die die französische Armee den Truppen des Tschad, die sich einer Rebellion gegenüber sahen, hatte zukommen lassen.
Es waren ermutigende, jedoch unzureichende Versprechungen ohne präzisen Plan, wie die Mitgliedsorganisationen der Bürgerplattform Frankreich-Afrika feststellen mussten. Sie ziehen heute eine sehr gemischte Bilanz dieser Reform, die sich trotz der zaghaften Änderungen des Artikels 35 der Verfassung[1] schwer tut, in die Realität umgesetzt zu werden.

Besorgnis und Unzufriedenheit der Bürgerplattform Frankreich-Afrika beziehen sich insbesondere auf:
> Das Versprechen der Revision und Veröffentlichung der Verteidigungsabkommen
Bis heute hat die angekündigte «Neuverhandlung» nicht stattgefunden. Der ursprünglich von der französischen Diplomatie angepeilte Zeitplan von unter einem Jahr wurde nicht eingehalten und die Rolle des Parlaments in diesem Prozess bleibt weitgehend unklar (Beratung oder nur Information?).
> Die notwendige Erweiterung der Neuverhandlung auf die anderen Militärabkommen
Die Verteidigungsabkommen betreffen nur acht afrikanische Länder[2] und nichts scheint für die anderen Staaten geplant zu sein, mit denen Frankreich zahlreiche Vereinbarungen über militärische und polizeiliche Zusammenarbeit geschlossen hat, die gleichermaßen der Revision bedürfen. Der Tschad, wo z.B. seit 1986 die Truppen der Operation Epervier stationiert sind, ist mit Frankreich nicht durch ein Verteidigungsabkommen verbunden.
> Die Neuordnung der Einsatzgebiete der französischen Armee in Afrika
Mehr als ein echter Wille, dem unilateralen Interventionismus ein Ende zu bereiten, handelt es sich für Frankreich darum, aus einer Logik der Dauereinquartierung zu einer Kräftebündelung überzugehen und damit substanzielle Einsparungen zu ermöglichen. Wenn heute zwar einige Kasernenschließungen vorgesehen sind (in der Elfenbeinküste und eventuell im Senegal und in Gabun), so wird doch die permanente Stationierung von Soldaten auf den französischen Militärbasen in Afrika nicht in Frage gestellt. Es ist jedoch heute unabdingbar, die französische Verteidigungspolitik in einem multilateralen Rahmen zu sehen und Europa zu einem bedeutenden Partner Afrikas in Friedens- und Sicherheitsfragen zu machen. Unsere Organisationen haben die diesbezüglichen Absichtserklärungen der französischen Diplomatie zur Kenntnis genommen, fordern jedoch die Einrichtung kollektiver, vom exzessiven Einfluss gewisser Mitgliedsländer mit geostrategischen Sonderinteressen befreite Entscheidungsprozesse.
> Die Verstärkung der afrikanischen Kapazitäten der Friedenserhaltung
Die Verlautbarung des Willens, die afrikanischen Eigenkapazitäten auf Kosten direkter Interventionen zu stärken, ist nichts Neues und war Teil der Ziele der Neuordnung der französischen Streitkräfte, die 2005 in Angriff genommen wurde. Die Nichtexistenz einer Menschenrechte und Demokratie fördernden französischen Politik stellt hinsichtlich einer Reihe von afrikanischen Ländern eindeutig die Frage nach dem Sinn der Aufrechterhaltung der Militärunterstützung ihrer Regimes[3], die fälschlicherweise als « Stabilitätsdoktrin » deklariert wird, de facto jedoch weit davon entfernt ist, der Erhaltung des Friedens zu dienen.
> Die Kontrolle der Militäroperationen durch das französische Parlament
Seit langem sowohl von den Abgeordneten wie von der Zivilgesellschaft gefordert, ist diese Kontrolle Objekt eines Artikels der Verfassungsreform vom 23. Juli 2008. Er erlaubt es den Parlamentariern, sich zur Aufrechterhaltung eines Militäreinsatzes zu äußern, wenn er die Dauer von vier Monaten übersteigt - wie dies am 28. Januar 2009 der Fall war – oder, bei Neueinsätzen, vorab darüber informiert zu werden. Unglückseligerweise ist diese nachträgliche Kontrolle durch extrem begrenzte Möglichkeiten zur Debatte eingeschränkt und reduziert das Parlament zur reinen Absegnungskammer von Regierungsentscheidungen.
Ist Nicolas Sarkozy, der Ende März auf afrikanischem Boden erwartet wird, politisch fähig, die am Kap eingegangenen Engagements wirklich umzusetzen und eine Gegenrichtung zur bisherigen Interventionspolitik und der Unterstützung autoritärer Regime einzuschlagen? Dies allerdings wäre die notwendige Voraussetzung, damit Frankreich in eine neue Ära verantwortlicher und transparenter Politik in Afrika eintreten kann wie sie in dem von unseren Organisationen im Vorfeld der Rede vom Kap herausgegebenen Weißbuch[4] skizziert wurde und deren Forderungen nach Menschenrechten, Demokratie, Transparenz und Kontrolle der Politik Frankreichs in Afrika nichts von ihrer Aktualität verloren haben.
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Sarkozy und Sassou Nguesso, Brazzaville, 26.3.2009

Sarkozy und Kabila, Kinshasa, 26.3.2009

Sarkozy und Tandja, Niamey, 27.3.2009
[1] Dieser Artikel definiert die Bedingungen der Kriegs- und Militäreinsätze im Ausland.
[2] Die 8 neu zu verhandelnden Verteidigungsabkommen wurden nach den Unabhängigkeiten mit der Elfenbeinküste, Kamerun, Gabun, Djibouti, der Zentralafrikanischen Republik, dem Senegal, Togo und den Komoren geschlossen.
[3] Hat Nicolas Sarkozy nicht selbst am Kap gesagt, dass «die beste Garantie von Frieden und Sicherheit in Afrika wie überall auf der Welt Demokratie und Gerechtigkeit» ist?
[4] Livre blanc pour une politique de la France en Afrique responsable et transparente [Weißbuch für eine verantwortliche und transparente Politik Frankreichs in Afrika], L’Harmattan 2007.
Quelle: Réforme de la présence militaire en Afrique, un an après : Cap ou pas Cap ?
Originalartikel veröffentlicht am 27.2.2009
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